Ein nicht ganz herkömmliches Auftragsgespräch


Livingstones Mahnung Kurtz Detektei Berlin
Livingstones Mahnung

Eine künstlerische Bearbeitung von Aidan Johnstone und Patrick Kurtz für die Kurtz Detektei Berlin:

 

“Es war ein grauer Tag gewesen. Versunken in meine teils recht düsteren Gedankenspiele – ich war immerhin fünfundzwanzigjährig, noch immer ledig und kinderlos, litt zeitwillig gar unter geringfügigen Depressionen –, vernahm ich, als der Schlaf schon kam gekrochen, ein bebendes Pochen am großen Eichenportal meiner damaligen Edinburgher Wohnung in der North Castle Street 39. Ich verzeichnete diese Störung mit einigem Unwillen, musste der kleine Zeiger der großen Standuhr ein Stück rechts neben dem Eingang schließlich schon längst mit einer weiteren Runde begonnen haben.
Ohne eine Erwiderung meinerseits abzuwarten, schwang der Störenfried beide Türen des Portals mit solch erheblicher Wucht auf, wie sie nur von einem enorm starken Paar Arme herbeigeführt werden kann, den Blick freigebend auf einen Mann von gar pompösem Anblick, im warmen Schein der Kohlen matt verglimmend. Alt war er, so schien es mir, alt wie der Fels der Monolithen von Callanish, und doch barg sein Körper einiges mehr an Vitalität als der meinige heute. Beängstigend real stand diese traumhafte Gestalt in meiner nicht allzu geräumigen, doch üeber alle Maßen gemütlichen Wohnung inmitten des faden, flackernden Kaminscheines.
Furchen durchzogen des Alten Gesicht, Furchen so tief wie die Täler der Highlands, das schüttere Haar fiel in wohlgekämmten weißen Strähnen zu seinen Schultern herab, der wallende Bart war so einnehmend grau, wie es nur der eines wahren Weisen sein konnte, nicht von der Art eines greisen, gebeugten Druiden, des unseren Gedanken durch die Historia Geoffreys allzu präsenten Stereotyps, sondern eher von der eines Victor Hugo, des erst 1885, nur wenige Jahre vor den hier geschilderten Ereignissen, verstorbenen französischen Literaten und, wie ich ohne jeden Zweifel meine, Philosophen.
Nicht groß, nicht klein, nicht breit, nicht schmal, nicht hässlich und auch nicht schön erschien der Mann in der Türe und doch auf eine unerklärbare Weise außergewöhnlich. Wäre er nicht tief auf einen Stock gestützt gewesen, der ihm einige Inches in der Höhe nahm, so hätte ich auch zu diesem Zeitpunkt schon seine in Wahrheit außergewöhnliche Körpergröße bemerkt. Der Schein vermag mitunter auch den Scharfsinnigsten zu täuschen, vor allem wenn er die Dreistigkeit besitzt, ihn in Umständen wenig klaren Denkens zu umgarnen.
Was bei aller Absurdität der Erscheinung letztlich am meisten ins Merk fiel, das waren die Augen, Smaragde aus den Untiefen der Erde, funkelnd grün wie es nur ein Diamant von urzeitlichem Alter sein konnte. Diese kleinen, stechenden und dennoch anmutigen Augen hatten viel gesehen, Leid und Schmerz, Macht und Gier, Verzweiflung und Tod.
Tief wie der Ozeane Gräben schienen sie zu sein, unergründlich und doch so offen als lüden sie einen jeden Waghalsigen ein, sich an ihrer Erforschung zu versuchen, wohl wissend, er müsse scheitern, wer immer er auch sei. Sie gaben den Blick frei auf eine schier unendliche Ansammlung von Wissen, als könnte man in dieser gewaltigen Bibliothek die Antwort auf jedwede Frage erforschen, die Lösung jedwedes Mysteriums der Menschheitsgeschichte darinnen erkunden.
Langsam, gekrümmt vom Alter, gestützt auf jenen Stock von solch graziler Schönheit, wie sie nur ein Meister der Schnitzkunst hervorzubringen vermag, schritt die Gestalt nun auf mich zu. Das Glas Scotch in meiner Rechten begann vorsichtig zu wanken, erst nur ein wenig, dann allerdings zunehmend heftiger – ich war schon vom Jugendalter an ein Freund des ergötzlichen Rachenbrandes gewesen, vor allem ein nettes Schlückchen Bowmore, vorzugsweise zwölf Jahre alt, gebrannt auf der fruchtbaren Insel Islay, die zu den Inneren Hebriden gehört, mit seiner rauchigen, torfigen Note und dem trockenen Sherrygeschmack, verdünnt durch einen einzigen, unbedingt winzigen Würfel Eises, niemals durch Soda, vermochte mir manchen Abend zu versüßen. Das Buch in meiner Linken senkte sich auf meine Knie, die Pfeife in meinem Munde drohte auf den samtenen Teppich zu meinen Füßen zu fallen.
Welch unbändige Kraft, welch grauenvolle Stärke trotz der scheinbaren Gebrechlichkeit, welch bannende Ausstrahlung ging von dem Fremden aus! Dunkelheit und Angst legten sich üeber mein zitterndes Haupt.
In meiner eigenen Stube war ich zum Sklaven eines völlig Unbekannten geworden, was immer er auch von mir verlangt hätte, in dieser Situation wäre ich nicht imstande gewesen, mich seinem Willen zu widersetzen. Er war mein Herr, voll und ganz; ich sein Diener, unterwürfig, gedemütigt, jeglicher Widerworte unfähig. Sein Wille wäre mir Befehl gewesen, dies vermag ich nicht zu leugnen, möge man mich auch einen Feigling schimpfen.
Furcht, er würde mich in eine unendliche Reise durch die Finsternis der menschlichen Abgründe führen, durchdrang mein schwaches Gemüt.
Direkt vor meinem Sessel blieb der Unbekannte unerwartet stehen. Ich wagte nicht, die geringste Bewegung zu vollführen oder gar das Wort an ihn zu richten, es war mir nicht einmal vergönnt, den Mut aufzubringen, weiterhin in seine Augen zu sehen, die Autorität seiner Person machte mich bang.
Ein Moment atemloser Stille, dann eine plötzliche Veränderung seiner Haltung, ich wusste nicht im Geringsten, was es war, konnte nur aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnehmen. Starr vor Angst warf ich mich zurüeck in meinen Sessel, ließ Buch, Glas und Pfeife anheimfallen und schwitzte all den Alkohol, der mir den Abend bislang so angenehm gestaltet hatte, in einem einzigen Atemzuge wieder aus. Adrenalin in hohem Maße schoss mir durch den Körper. Ich schüttelte meine Benommenheit ab. Wenn ich jemals in meinem langen Dasein wahrhaftig geistesgegenwärtig gewesen bin, so muss es in diesen Sekunden gewesen sein.
Wie ein dunkler Schatten breitete sich eine Gewissheit in meinem Herzen aus: dies konnte nichts anderes als mein Ende sein, es würden nur noch Schrecken und Tod füer mich verbleiben. Einen gar jämmerlichen Anblick muss ich wohl abgegeben haben, die Augen tief verschlossen, verängstigt wimmernd, meine Vernichtung herbei wartend.
Allein es geschah – nicht nur in Teilen, sondern zur vollen Gänze – etwas füers erste völlig Gegensätzliches.
Scheel blinzelte ich der Gestalt entgegen, noch immer den grausamen Schlag der eisernen Faust erwartend. Langsam weiteten sich meine zu Schlitzen verschlossenen Augen, strotzend vor Erleichterung ob des unverhofften Glückes, das Antlitz der Welt noch einmal im Reich der Lebenden schauen zu dürfen. Dennoch verhalf mir dieser Anblick keinesfalls, die Sprache wiederzufinden, denn im gleichen Maße, in dem ich Angst vor dem, was kommen mochte, verspürt hatte, war ich nun erfüllt von einem Gefühl der Üeberraschung und der Scham angesichts meiner törichten Furcht.
Immerhin ward mir lediglich eine Hand zum Gruße entgegengestreckt.”

 

aus Aidan Johnstone & Patrick Kurtz: “Livingstones Mahnung”, © Patrick Kurtz 


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